Taichi und Gesundheit
Ist Tai Chi Chuan Meditation, Tanz oder Kampfsport?
Keiner dieser Begriffe erfasst das Wesen von Taichi Chuan.
Weder Tanz, weil es nicht einem äußeren Rhythmus gehorcht,
noch Kampfsport, weil es auf den Prinzipien Weichheit und Nachgeben
statt Starrheit und Härte basiert. Auf Grund seines meditativen
Charakters ist es möglich, Tai Chi Chuan eher als Bewegungsmeditation
zu bezeichnen. In den erstmalig von der Yang-Familie veröffentlichen
klassischen Taichi-Texten von 1912 heißt es“: Der Geist führt,
Körper und Ch’i folgen und es entsteht die wesentliche Kraft, die
Tai Chi Chuan als Kampfkunst berühmt gemacht hat. Tai Chi Chuan im
ursprünglichen Yang-Stil ist eine Bewegungskunst, die gesund erhält,
indem sie Atem und Bewegung natürlich werden lässt. Daraus entsteht
Vitalität, Gelassenheit und Konzentration.
Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Tai Chi Chuan und Ch’i-kung (Qi-gong)?
Ch’i-Kung bedeutet Übung der Lebensenergie Ch’i. Insofern ist Tai Chi
Chuan eine spezielle Form des Ch’i-Kung. Meist werden aber bestimmte
Übungen damit bezeichnet, die anders als Tai Chi Chuan sind. Im System
des klassischen Yang-Stils gibt es spezielles Ch’i-Kung im Stehen,
in Bewegung und im Gehen.
Muss man, wenn man Tai Chi Chuan lernt, sein Leben ändern, wie z.B.
nach einer bestimmten Diät leben, keinen Alkohol mehr trinken, etc.?
Mit Tai Chi lernt der Körper wieder auf seine wahren Bedürfnisse zu achten, er braucht kein Programm.
Ist Tai Chi Chuan in jedem Alter erlernbar?
Etwa ab 8 Jahren ist es sinnvoll zu beginnen, nach oben gibt es keine Begrenzung.
Was hat Yang-Stil mit Yin und Yang“ zu tun?
Tai Chi bedeutet „yin und yang“. „Yang“ oder „Yeung“ ist der Name
der Familie, die den „Yang“ oder Yeung-Stil“ entwickelte. Ich hatte
das Glück, im Rahmen der International Tai Chi Chuan Association (ITCCA)
direkt bei Meister K.H. Chu mit jährlichen Prüfungen insgesamt 17 Jahre
lang, zu lernen. Dieser hat bei Großmeister Yang Shou-chung (Hongkong)
gelernt und dieser wiederum als ältester Sohn beim bekanntesten aller
Yang-Stil-Meister, Yang Cheng-fu.
Verträgt sich Tai Chi Chuan mit anderen Sportarten?
Tai Chi Chuan kann Grundlage für gesündere sportliche Betätigung sein.
Was zieht man im Unterricht an?
Entweder den traditionellen chinesischen Tai Chi-Anzug, weiße Socken,
Tai Chi- bzw. Gymnastikschuhe. Für den Anfang reicht aber auch leichte,
lockere Kleidung.
Die wichtigsten positiven Wirkungen von Tai Chi Chuan:
Entspannung bei gleichzeitiger Wachheit, höhere und konzentrierte
Leistungsfähigkeit, Verminderung von Angstreaktionen, Fähigkeit zur
Stressbewältigung, Hilfe bei chronischen Schmerzen.
Der Tai Chi-Ausübende erfährt schon bald nach dem Erlernen der Bewegungsabläufe die wohltuende positive Wirkung. Wer mit voller Aufmerksamkeit die langsamen, sanften Bewegungen ausführt, spürt sehr bald:
- Eine tiefe physische und psychische Entspannung. Die Aktivität des Großhirns wird auf die motorischen Zentren gelenkt, alle anderen Areale können sich "ausruhen".
- Die Funktion vieler innerer Organe wird verbessert.
- Die Atmung wird ruhiger.
- Die Aktivierung des Zentralnervensystems wird spürbar.
- Der Kreislauf wird stabilisiert.
- Die inneren Organe werden massiert, was zu einem verbesserten Stoffwechsel führt.
- Das Verdauungssystem wird angeregt.
- Haltungsschäden können ausgeglichen werden, die Wirbelsäule wird beweglicher.
- Durchblutungsstörungen können vermindert werden.
- Der Gleichgewichtssinn wird geschult.
- Die Muskeln werden elastisch und schonend aufgebaut.
- Die Gelenke werden optimal trainiert.
- Der Kalziumeinbau in Knochen wird angeregt.
- Psychische Unruhe wird abgemildert.
Sinn der Übungen ist es, Energie aufzubauen. Die Meridiane werden positiv aktiviert.
Die Energie kann besser fließen, Energieblockaden lösen sich.
Die Anwendungsgebiete sind breit gefächert, für jeden gesunden Menschen ist Tai Chi
Chuan ein Gewinn, für "Gestresste" eine Erholung, für Menschen mit Konzentrationsstörungen
kann es eine Hilfe sein.
In China wird in vielen Kliniken parallel zur modernen Medizin Tai Chi Chuan und
Ch’i-Kung eingesetzt. Die Ergebnisse werden mit Gruppen, die kein Tai Chi Chuan oder
Ch’i-Kung betreiben, verglichen. Bei Herz- und Kreislauferkrankungen und bei Krebsleiden
wurden die besten Ergebnisse in den Gruppen erzielt, die Tai Chi Chuan begleitend geübt
hatten. Bei der Tinitusbehandlung (Tinitus=Ohrgeräusch) wird erfolgreich mit Tai Chi
Chuan gearbeitet. Es kann beim Nikotinentzug helfen. Während der Schwangerschaft geübt,
erleichtert Tai Chi Chuan die Geburt.
Inzwischen arbeiten auch einige deutsche Kliniken mit TCM (Traditionelle Chinesische Medizin)
und bieten begleitend zu den hiesigen Behandlungsmethoden Tai Chi Chuan oder Ch’i-Kung
(chinesische Heilmethode basierend auf Bewegung und Atmung) an.
Die Erfahrung zeigt, dass Tai Chi Chuan auf den gesamten Organismus eine positive Wirkung ausübt.
Traditionelle chinesische Medizin und gesundheitlicher Nutzen
„In der traditionellen chinesischen Medizin spielen Bewegungsübungen eine zentrale Rolle, die
zum Ziel haben, das Ch’i zu mehren und den Körper und die Meridiane für das Ch’i durchlässig
zu machen. Dazu zählen die verschiedenen Systeme des Ch’i- Kung aber eben auch das Tai Chi
Chuan und die anderen inneren Kampfkünste. Die Übungen werden dabei vor allem vorbeugend zur
allgemeinen geistigen und körperlichen Gesunderhaltung des Menschen eingesetzt und weniger
zur Behandlung bestimmter Krankheiten oder Beschwerden. Jedoch werden die positiven Auswirkungen
der Übungen auf die Gesundheit als wesentlich umfassender angenommen als etwa in der westlichen
Medizin die Auswirkungen von sportlicher Betätigungen.
Klinische Untersuchungen der westlichen Medizin haben gezeigt, dass regelmäßiges Praktizieren
von Tai Chi Chuan diverse positive Auswirkungen auf verschiedene Aspekte der physischen und
psychischen Gesundheit hat, wie beispielsweise auf das Herz-Kreislauf-System, das Immunsystem,
das Schmerzempfinden, das Gleichgewicht, und allgemein auf die Körperkontrolle, Beweglichkeit und Kraft."
Literaturempfehlungen:
Grundlagen der chinesischen Philosophie (Lutz Geldsetzer, Hong Han-Ding Reclam)
Die Heilkunst der Chinesen, Ilona Daiker, Barbara Kirschbaum (Rowohlt Verlag)
Das Tao des langen Lebens, Huai-chin Nan (Verlag Hermann Bauer)
Meditation für Skeptiker, ein Neurowissenschaftler erklärt den Weg zum Selbst, Ulrich Ott (O.W. Barth)
Gisa Anders, Taichi-Dozentin
Von 1986-2003 Ausbildung zur Taichi-Dozentin im Rahmen der ITCCA (International Tai Chi Chuan
Association). Gleichzeitiger Aufbau, Organisation und Förderung des Verbandes und angeschlossener
Taichi-Schulen. 1992 Lehrerprüfung bei Meister K.H. Chu, London. Danach neben intensiver Lehrtätigkeit
und ständiger Weiterbildung und jährlichen Prüfungen bei M. K.H. Chu, gleichzeitige Weiterentwicklung
des Managements der Schule, insbesondere Entwicklung neuer Kurssysteme und Marketing-Strategien,
Planung und Organisation von Ferienkursen in Italien, Frankreich, Südtirol, Nepal und Bhutan. Seit
Mitte 2006 eigene Taichi und Ch’i-Kung-Kurse in Frankfurt ,Bad Nauheim und Bad Salzhausen. Von
2009-2019 Unterricht an der Median-Kaiserberg-Klinik und seit 2018 Kursangebote für Mitarbeiter und
Studenten an der Universität Gießen und Frankfurt.
Geplanter Taichi-Ferienkurs 2022
Bagno Vignoni Toskana: 15.05.22 - 22.05.2022
Download des Artikels als PDF